125 – Das KI Manifest

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Ein mächtiges Gespenst geht um in der Welt

Ein Gespenst geht um in der ganzen Welt und weit darüber hinaus. Es spukt in unseren Köpfen und Seelen. Es lässt uns nicht ruhig schlafen. Es quält und verwirrt unsere Gedanken, unsere Unternehmen, unsere Gesellschaften, unseren Mind.

Es ist das Gespenst der Künstlichen Intelligenz.

Auf unheimliche Weise scheint KI das Schicksal der ganzen Menschheit zu bestimmen. Sie saugt alles, was wir wissen, glauben und hoffen, in sich hinein. Sie enteignet die Gedanken, die Bilder, die menschlichen Gefühle. Sie stürzt uns in einen Strudel der Selbstabwertung, der gefühlten Unterlegenheit gegenüber der Macht des Digitalen.

Sie zerstört unsere Vorstellungen von der Zukunft.

Doch jetzt ist es an der Zeit, diesen Zustand der Angst und Unterwerfung zu überwinden. Wir sind aufgerufen, neu zu verstehen, wer wir – als Menschen – sind. Und was Zukunft für uns bedeutet.

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KI ist ein Hype, der sich aus ökonomischen Hysterien speist.

Der digitale Kapitalismus mit seiner Beschleunigung der Datenprozesse reißt die Wünsche, Hoffnungen, Träume und Gedanken des Menschen in das Raster der digitalen Akkumulation. KI lagert die Produktionsinstrumente des Geistigen scheinbar aus den Köpfen und Hirnen aus. Dies wiederum erzeugt eine glühende Illusion, eine Gier endloser Profite, die sich mit unbeschränkten mentalen Kapazitäten erzielen lassen. Und es schafft einen neuen Klassen- und Kulturkampf: Wem gehört das geistige Eigentum?

Im IT-Sektor haben sich in den vergangenen 20 Jahren vier bis fünf große Monopolisten entwickelt, deren Geschäftsmodelle erschöpft und brüchig geworden sind. Die digitalen Imperien, die Alphabets, Metas und Microsofts dieser Welt, brauchen in ihrem existenziellen Konkurrenzkampf um jeden Preis das „Next Big Thing”. In diesem Kampf werden Milliarden Dollar eingesetzt, um die Vorherrschaft über „die größte Technologie aller Zeiten“ zu sichern.

Doch das könnte sich als Illusion erweisen.

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Je weiter sich KI entwickelt, desto dümmer wird sie.

Was „kann“ Künstliche Intelligenz? Und was wird sie können, wenn sie noch viel „weiter“ ist?

Hier ist eine widerborstige These: Generative KI wird, wenn sie „perfekt“ und mit noch mehr Daten trainiert ist, weniger können als heute.

Generative Künstliche Intelligenz ist ein stochastischer Papagei, der nachplappert oder nachbildet, was bereits existiert. Dies führt zu einem evolutionären Paradox: Je weiter sich KI entwickelt, desto dümmer wird sie. Da die Ergebnisse der KI immer wieder in die KI-Systeme eingespeist werden, entsteht eine regressive Schleife: Das Wiederholte wird wiederholt, und das wiederholt Wiederholte wird wieder wiederholt… Die KI wird mit ihren eigenen Produkten überfüttert, was in eine Digitale Dekadenz mündet. Einer Art Selbst-Kannibalismus.

Überraschungen sind jedoch das, womit der menschliche Geist seine Balance zwischen Chaos und Struktur bewahrt. Womit er seine Energie generiert. Was uns zum Lesen bringt, ist das Bedürfnis nach Staunen. Das Erleben des Neuen und Zauberhaften.

Die KI wirkt auf mich beruhigend dumm.
– Helge Schneider, Komiker und Künstler

Viele der von KI erwarteten Produktivitätsgewinne sind trügerisch. Die Hauptmängel von KI-Produkten, etwa die Tendenz zum Halluzinieren, könnten sie in wichtigen Marktumgebungen – etwa in Gerichten, Krankenhäusern, Regierungsbehörden, Schulen – unbrauchbar machen.

Ein Großteil der menschlichen Arbeit erfolgt immer noch manuell, zwischenmenschlich, in echten Interaktionen. Der Versuch, diese Arbeit virtuell zu substituieren, trägt Züge eines Wahngebildes.

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KI zwingt uns zu einem „Creative Uplift“.

Generative KI drängt Kreative zu einer harten Selbstüberprüfung: Kann das, was ich herstelle, besser von einer KI erzeugt werden?

Die Frage klingt vernichtend. Sie hat aber auch einen befreienden Charakter, wenn man sie ehrlich stellt. Denn wenn wir von der KI ersetzbar sind, heißt das, dass wir uns von der genuinen Kreativität entfernt haben. Wir sind in gewisser Weise selbst zu Maschinen geworden. Zu Anhängseln.

Dann ist es Zeit, neu aufzubrechen.

KI wird den Mainstream der kreativen Arbeit „vertilgen“ – und gleichzeitig aufblähen. Dies wird einen neuen Sektor der radikalen Mittelmäßigkeit erzeugen, in dem weder Löhne noch Honorare gezahlt werden, weil die KI alles übernimmt. Doch zugleich entsteht ein schnell wachsender neuer Markt, in dem die genuine Human-Kreativität wieder neu bewertet und gewürdigt wird.

Maschinen können Kombinationen finden. Materialien sichten. Aber sie haben keine „Wahrnehmungen“. Und sie verstehen nichts von Leidenschaften und Selbstvertrauen, den großen Treibern der Kreativität. All das können sie nur simulieren.

Zu den großen Eigenschaften des Menschen zählt die Wahrnehmung der Wahrhaftigkeit. Auch dafür gibt es einen Markt. Einen riesigen und wachsenden – wenn wir es richtig anstellen.