136 – Die Zukunft ist tot – Es lebe die Zukunft!
Wie wir die überwältigende Angst überwinden und die Zukunft wiederfinden können
Matthias Horx, März 2025
Fred, der eigentlich Ferdinand heißt, ist ein alter Freund von mir. Ich kenne ihn seit den sogenannten Urzeiten, also jenen Jahren und Jahrzehnten, in denen alles ganz anders war. Weil es damals immer besser wurde.
Wir sind beide „Boomer“, wenn auch einige Jahre auseinander (er ist eigentlich Generation X). Unsere Biographien verliefen ähnlich, nur etwas zeitverschoben: Wir haben in der Pubertät gegen die Eltern rebelliert. Die Welt auf den Kopf stellen wollen, was uns manchmal sogar gelang. Wir sind aufgewachsen in den wilden Achtzigern bis Neunzigern, erfolgreich und familiär geworden in der Millennium-Zeit, als alles kontinuierlich Richtung Zukunft zeigte.
Fred war immer schon ein melancholischer Typ. Wie bei allen liebenswerten Menschen zeigt sich auch etwas Zerbrechliches in ihm. Gleichzeitig hat er manch berufliche und persönliche Krise nicht nur weggesteckt, sondern mutig gemeistert. Aber seit einigen Monaten hat es ihn komplett aus der Bahn geworfen. Er kann nicht mehr schlafen. Er hat Alpträume. Er hat unklare Symptome, wie bei einem Schlaganfall. Schwindel. Ohrenrauschen. Herzklopfen.
Aber da ist nichts – Physisches.
„Ich habe mein ganzes Leben in eine klare Richtung gelebt“, sagte Fred, als wir uns neulich zu unserem Frühlings-Wandern trafen, das wir jedes Jahr absolvieren, um unsere Freundschaft zu erhalten. „Nach vorne leben, das war erfolgreich, das hat gestimmt. Und es war immer die Musik, die die Welt öffnete, die alles klärte, nach vorne in die Zukunft. Aber jetzt ist da dieses ständige Gefühl, dass uns der Teppich unter den Füßen weggezogen wird. Alles, wofür wir gelebt haben, ist plötzlich…“
Er stockte. Rang nach Worten.
„WEG. Zerstört. Vergiftet. Nur weil ein paar Idioten Lust daran haben, die Welt kaputtzumachen. Und weil ihnen immer mehr andere Idioten folgen. Alles in den Dreck ziehen, was kostbar ist, was wahr ist, was wirklich zählt. Alles ist nur noch Lüge, Wahnsinn, Irrsinn, Zerstörungslust! Die Idioten übernehmen die Welt, und wir können nichts dagegen tun!”
Pause. Lange Pause.
„Sogar die Musik klingt nicht mehr. Alles klingt nur noch … nach nichts!“
When the Music is over
Ähnliches konnte man neulich in der Zeitschrift Business Punk lesen, wo der Publizist Tom Junkersdorf unter dem schönen Titel „Postfuture Hangover“ einen Abgesang auf die Zukunft formulierte:
„Wir alle haben offenbar einen Kater. Aber es geht nicht nur um eine Krankheit, sondern um das, was wir Leben nennen. Wir haben uns auf den Fortschritt gefreut. Die Technik. Die Chance auf Homeoffice, neue Werte und neue Wertschöpfung. Wir haben die Digitalisierung umarmt wie gute Gastgeber. Wir wollten Wellbeing und haben plötzlich toxic care. Wir wollten Wohlstand und haben plötzlich Notstand überall. Wir wollten Frieden und haben plötzlich Krieg. Man gibt den Menschen das Internet, das das Wissen der Jahrtausende enthält und noch viel mehr. Und sie suchen nach Katzenvideos. Oder speien ihren Hass hinein. Man gibt ihnen das Smartphone, das sie mit der ganzen Welt verbindet. Und sie inszenieren sich bis zur Selbstauflösung in Selfies. Oder speien ihren Hass hinein. Man gibt ihnen die Demokratie. Und sie wählen Menschenfeinde. Oder speien ihren Hass hinein …“
Von einem ähnlichen Kaliber ist der wunderbare rant, der Wutanfall der schottischen Schriftstellerin A. L. Kennedy in der „Süddeutschen“:
„In den USA, im Vereinigten Königreich und in Europa haben einige der verhätscheltsten Monster der Welt beschlossen, dass wir alle mehr Traumata brauchen, um uns für Eigenschaften zu bestrafen, die sie nicht haben. Wir können lieben, Freude erleben, Einheit erfahren. Sie glauben, dass sie uns mit Sozialdarwinismus, eugenischen Fantasien, brutaler Profitmaximierung und jeder nur erdenklichen psychologischen Manipulation unterjochen werden.“
Die Generation der (vergangenen) Zukunft
Wir durchleben gerade ein kollektives Zeitenende-Gefühl. Zeitenende statt Zeitenwende. „Wir“ alle, oder zumindest VIELE unter uns, haben das Gefühl, dass wir um unseren Lebens-Sinn, unseren Lebens-Ertrag betrogen werden. Und obwohl wir dies auf erstaunlich ähnliche Weise empfinden, scheint uns diese Erfahrung gleichzeitig sehr einsam zu machen.
Wer aber ist dieses „Wir“?
„Wir“ sind aufgewachsen in einer selbstverständlichen Erwartung des Fortschritts. Nicht nur wirtschaftlich, auch im Sinne von Ideen, Idealen, Lebensweisen, die den Raum der Möglichkeiten ständig erweiterten. Auch wenn es immer wieder Krisen, Turbulenzen, Rückschläge gab: Die Zukunft lag immer irgendwie vorne, in einer klar erkennbaren Richtung.
Doch überall häuften sich Risse, Brüche, die man nun nicht mehr zukleben kann.
Wir sind aufgewachsen in technologischen Mythen, die sich heute alle auf die eine oder andere Weise als Horror erweisen. Jahrelang hatten wir ja selber an die befreiende Macht der Computer geglaubt. Wir haben fleißig mitdigitalisiert, begeistert mit den Gadgets der neuen Zeit gespielt. Jetzt wird uns allmählich klar, dass mitten in der Künstlichen Intelligenz ziemlich viel Dummheit haust. Und in den Sozialen Medien die Gewalt nistet.
Wir waren die Wissens-Generation. Teil einer Bildungs-Explosion, die Schulen und Universitäten zu Lebensräumen machte, in denen man den Lebensstil des Lernens übte. Lernen und Wissen als Lebenskonzept. Beruf nicht als Fron, sondern als Verwirklichung.
Wir sind eine Queer-Generation, eine Teil-Kohorte, die sich durch die Generationen Boomer, X, Y, und Z hindurchschlängelt.
Wir sind die Zukunfts-Generation. Geboren irgendwann zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und den mittneunziger Jahren hielt uns ein bestimmter Mindset zusammen: der Glaube an das Gute.
Wir waren die romantische Generation. Wir glaubten an eine immer besser werdende Gesellschaft. Die WIR verändern konnten. Wir glaubten sogar an so etwas wie die „Menschheit“ als Ganzes, quer über Landes- und Kulturgrenzen hinweg. An eine Zukunft, die etwas mit Solidarität, Gemeinschaft, Gegenseitigkeit und moralischen Regeln zu tun hatte, die immer verlässlicher wurden, je mehr man sie praktizierte.
Musik, als Weltmusik, bildete tatsächlich immer so etwas wie den Energiekern, die Trägerwelle unseres Lebens. Das hatte seinen Höhepunkt in der Trance-Elektro-Techno-Blüte, als 1999 plötzlich eineinhalb Millionen Menschen in Berlin zur Love Parade tanzten.
„Die Millennials sind die letzte Generation, die noch so etwas wie die Zukunft erlebt haben“, sagte mein Sohn Tristan neulich, der selbst zu den Millennials gehört. Wie kann man nur so altklug sein? Aber irgendwie hat er verdammt recht.
Die Fassungslosigkeit
Heute befinden wir uns in einem anhaltenden Zustand der Fassungslosigkeit.
Als Zukunftsforscher werde ich in den letzten Jahren mit einer ständig steiler werdenden Welle von Zukunftsverlust konfrontiert. Noch vor wenigen Jahren spielte das Morgen und seine wahrscheinliche Gestalt in politischen, gesellschaftlichen und auch persönlichen Debatten eine große Rolle. Und das Zukünftige war ganz klar, weil es auf einer linearen Fortsetzung großer Megatrends aufbaute: Individualisierung, Globalisierung, der „Kulturisierung“ der Gesellschaft, der Digitalisierung etc. All das bestimmte und formte die große Aufwärtsbewegung des letzten Halbjahrhunderts. UNSERER Zeit.
Heute ist die Zukunft eine Lokomotive, die aus einem engen Tunnel auf uns zurast, und uns demnächst überfahren wird. Mit einem schrillen Kreischen. Oder sie wird aus den Schienen springen – und alles zerstören, was in der Nähe der Gleise liegt …
Die Zukunft ist aber nicht einfach eine Fantasie, eine fixe Idee, auf die wir verzichten können, um „ganz entspannt im Hier und Jetzt“ zu sein. Zukunft ist eine existentielle Dimension des Menschen. Einem Wesen, das durch innere Voraussagen die Voraussetzungen seiner Handlungen schafft.
Wie aber gewinnen wir sie zurück, die Zukunft?
Ich bin mir mit Fred einig, dass es mit diesen Methoden nicht wirklich funktionieren wird:
- Elitäre Ignoranz: Alle Medien abschalten, nichts mehr an sich ranlassen. Fünf Stunden am Tag meditieren, nur noch Körner essen.
- Apokalyptischer Zynismus: Die Welt ist sowieso ein Scheißhaufen, vergiss es. Lass uns Party machen, solange es noch geht, es geht sowieso nicht mehr lange!
- Hoffnungspathos: „In jeder Krise liegt eine Chance!“ Geht es Ihnen auch so, dass Sie diesen Satz nicht mehr hören können?
- Kämpfen: Widerstand leisten. Dem neuen Faschismus die Stirn bieten, bis zum … Ja, bis was?
Wenn es mit all dem nicht geht – wie soll es dann gehen?
Die Angst umarmen
Angst ist ein Botschafter. Eine Information, dass etwas nicht stimmt in unserem Weltverhältnis. Wir sind mit einer Bedrohung, einer Gefahr konfrontiert, die unser MIND nicht als lösbar begreifen kann.
Wir erstarren.
Ein erster Schritt, um die Zukunft zurückzugewinnen, ist die Kunst, durch die Angst aufrecht hindurchzugehen. Und dabei zu atmen. Die antiken Stoiker hatten dafür eine Technik, die meditatio malorum. In dieser Meditationsübung stellen wir uns intensiv vor, es käme zum Allerschlimmsten.
Etwa so:
Alice Weidel wird Bundeskanzlerin, 500.000 jubelnde Bürger bei der Inauguration am Brandenburger Tor. Alle kritischen Medien werden verboten. Bei ihrer Inaugurationsrede tritt sie mit einer Reitpeitsche auf und kündigt an, alle „woken Idioten“ einzusperren. „Ja, auch Du bist gemeint, Du Windmühlen-Verbrecher!“
Russland besetzt unter Drohung mit Atomwaffen die baltischen Länder, Finnland, Rumänien, Bulgarien. Ungarn und Serbien schließen sich der Russischen Föderation an, Österreich überlegt noch.
Überall finden grauenhafte Messerstechereien statt, rund um die Uhr, in der Straßenbahn, in der Familie, im Büro. Neuerdings werden auch Schraubenzieher benutzt.
Trumps Sohn übernimmt die Macht. Musk übernimmt die Russische Rüstungsindustrie und produziert Verbrenner-Teslas.
Amerika erklärt Europa den Krieg.
Unser Lieblingshund stirbt.
Wir selbst sterben.
Die meditatio malorum kristallisiert unsere Ängste und überwindet sie in einer Art mentalem reset. Sie weist uns höflich, aber bestimmt darauf hin, dass das Allerschlimmste im Grunde unwahrscheinlich ist. Die Angst-Meditation zieht den Vorhang vom inneren Welt-Theater. Wir können wieder die Wirklichkeit sehen, wie sie ist:
Jeder Trend erzeugt Gegentrends.
Jede Kraft sucht nach Balance.
Jedes Dunkle erzeugt auch Helles.
Vieles, was hinfällig erscheint, erweist sich als erstaunlich resilient (womöglich auch die Demokratie).
Die Hoffnung loslassen
ZUVERSICHT! plakatierte der gute Robert Habeck bei der Bundestagswahl. Aber irgendetwas stimmte an dieser Parole nicht. Sie wirkte aufgeblasen, künstlich. Man kann Zuversicht nicht durch die Propaganda der Zuversicht erzeugen. Zuversicht ohne Sehnsucht funktioniert nicht.
Das Problem mit der Hoffnung ist, dass sie uns den Weg in den Wandel versperren kann.
Wie bitte?
Die Hoffnung versperrt den Weg in den Wandel, weil sie uns in einer inneren Passivität festhält. Dadurch entsteht eine innere Verkrampfung. Hoffnung und Unglück können miteinander regelrecht verkleben.
Menschen, die schwere Krankheiten wie Krebs haben, erfahren manchmal einen Punkt, wo Hoffnung ins Gegenteil umkippt. Sie wird zu einem Zwang, der in die falsche Richtung weist. Durch die Hoffnung blockiert man die Möglichkeit, die in der Akzeptanz liegt.
Um wieder innerlich frei zu werden, geht es darum, sich sinnvoll zu enttäuschen. Ent-Täuschung, mit Bindestrich geschrieben, heißt, die Illusionen hinter sich zu lassen, die man mit sich herumgetragen hat. Und die zunehmend zu einer Last geworden sind.
In gewisser Weise brauchen wir so etwas wie Re-Signation. Auch hier weist der Bindestrich auf eine andere Bedeutung hin. Re-signare heißt „wiederzeichnen“. Wir schließen einen neuen Kontrakt mit der Wirklichkeit ab, die jenseits der Illusionen wieder real wird.
What if we were wrong?
Einer der zauberhaftesten Sätze eines prominenten Politikers stammt von Barack Obama. In einer Talkshow kurz vor der ersten Trumpwahl sagte er:
„What if we were wrong?”
Was wäre, wenn wir uns geirrt hätten?
Ein wichtiger Schritt zurück in Richtung Zukunft ist die Selbstüberprüfung. Das ist nicht leicht. Man kann sich selbst nur sehr schwer infrage stellen. Oder man neigt dazu, in die Falle des Selbstmitleids zu geraten.
Der größte Selbst-Vorwurf lautet meistens: Wir waren naiv.
Wir hätten es früher wissen müssen.
Wir hätten mehr tun müssen, um „es“ zu verhindern!
Waren wir zu arrogant, zu sorglos, zu „privilegiert“?
Zu elitär, wie es jetzt immer heißt?
Auf diese Weise machen wir uns die Vorwürfe des bösartigen Populismus zu eigen. („Schurken bemächtigen sich unserer Phantasie mit einer Kraft, mit der kein Tugendheld jemals mithalten kann.“ ).
Der Anthropologe Lyall Watson, „ Die Nachtseite des Lebens. Eine Naturgeschichte des Bösen” S. 21;
Franz M. Wuketits, „Warum uns das Böse fasziniert”, Hirzel-Verlag 2000
Damit verbunden ist ein Schuldgefühl, das uns quält und einen großen Teil unserer Zukunfts-Depression ausmacht. Wir sind deprimiert, weil wir das Gefühl haben, dabei versagt zu haben, die Welt in die „richtige Richtung“ zu lenken.
Man hätte alles ganz anders machen müssen.
Wir haben kläglich versagt!
Wirklich?
Angela Merkel, die ja über beträchtliche Macht verfügte, wird unentwegt für ihre „Russische Naivität“ angegriffen. Hätte sie nicht früher dem angehenden Diktator Putin „in den Arm fallen sollen“? Hätte sie „es“ nicht wissen müssen, spätestens, nachdem Putin seinen Hund mitbrachte? Sie hat diesen Vorwurf in ihren Memoiren ganz gut gekontert, indem sie das Situative ihres Handelns erklärte: An einem gewissen Punkt ist man verpflichtet – ethisch moralisch, menschlich -, das Beste zu tun, was JETZT geht. Was unter den Umständen möglich ist. Man muss es versuchen. Auch wenn man den Ausgang nicht bestimmen kann. Nur das ist ethisch und verantwortlich.
Irren heißt nicht etwas „falsch machen“. Man kann irren, aber trotzdem richtig agieren. Wir irren immer, weil der Irrtum ein notwendiger Teil des Richtigen ist. Nur so lernen wir. Wachsen wir. Leben wir.
Die Frage, ob wir geirrt haben, lässt sich ins Positive drehen. In eine Selbstakzeptanz, in der wir höflich mit uns selbst, unseren Irrungen und Wirrungen, unseren Ansprüchen und Über-Ansprüchen umgehen. Das ist eine weitere Bedingung, um in Bezug auf die Zukunft wieder neu und frisch zu werden.
Die Zärtlichkeit der Krise
„Wenn alles zusammenbricht“, schreibt die Zen-Meisterin Pema Chödrön, „und nichts mehr funktioniert, können wir verstehen, dass wir an etwas dran sind. Wir können fühlen, dass dies ein sehr verletzlicher und zärtlicher Platz ist, und das Zärtlichkeit beide Wege gehen kann.“
Pema Chödrön, „When things fall apart. Heart advice for difficult times”, Kapitel: „The joy of letting go”, S. 13
„We can shut down and feel resentful or we can touch in on that throbbing quality. There ist definitely something tender and throbbing about groundlessness.
Things falling apart is a kind of testing and also a kind of healing. We think that the point is to pass the test or to overcome the problem, but the truth is that things don´t really get solved. They come together and they fall apart again. Its just like that. The healing comes from letting there be the room for all of that to happen: room for grief, room for relief, for misery, for joy …”
„Wir können uns verschließen und Groll empfinden oder wir können diese pulsierende Qualität berühren. Haltlosigkeit hat definitiv etwas Zartes und Pochendes, Pulsierendes. Dinge, die auseinanderfallen, sind eine Art Prüfung und auch eine Art Heilung. Wir denken, dass es darauf ankommt, die Prüfung zu bestehen oder das Problem zu überwinden, aber die Wahrheit ist, dass die Dinge nicht wirklich gelöst werden. Sie kommen zusammen und fallen wieder auseinander. So ist es einfach. Die Heilung kommt, wenn man Raum für all das lässt: Raum für Trauer, Raum für Erleichterung, für Kummer, für Freude …“
Im Grunde lässt sich alles, was uns zurück in die Zukunft führen könnte, im Rahmen eines Trauerprozesses verstehen.
Trauer ist der Prozess, in dem wir über uns selbst hinauswachsen in etwas Neues, was aber zu Beginn der Reise noch nicht sichtbar wird.
Die sieben Phasen der Trauer sind: Schock, Verneinung/Nichtwahrhabung, Wut, Depression, Erkundung, Anpassung, Integration. Sie finden sich auch im Umgang mit einer „verrückt gewordenen Realität“, die nicht mehr unseren Wünschen, Hoffnungen und Erwartungen entspricht.
Bei der Trauer geht es jedoch nicht um ein Ende, sondern um einen Neubeginn. Es geht eigentlich auch nicht so sehr um völligen Abschied, denn Trauernde integrieren die „verschwundene“ Person auf neue Weise in sich selbst. Und entwickeln auf diese Weise ein neues Verhältnis zu ihr.
Könnten wir mit der Zukunft, die einst unsere Zukunft war, ein ähnliches Verhältnis beginnen? Es war gut und richtig, wie es war. Jetzt aber beginnt eine andere Zeit, in der es neue Dinge zu entdecken gilt.

Dankbarkeit
Wir haben ein Leben gelebt, das viele Jahrzehnte auf der Sonnenseite der Geschichte verlief. Wir haben im Kairos der Geschichte gelebt. So nannten die alten Griechen die günstige Zeit, den Moment der Fülle, in dem sich etwas Neues, eine neue Epoche manifestiert. Vielleicht sollten wir das bedingungslos als ein Geschenk anerkennen. Mehr als ein halbes Jahrhundert Frieden, Fortschritt, Freiheit!
In dem Moment, in dem man die Geschichte annimmt, deren Teil man ist, dreht sich die Welt Richtung Zukunft. Denn wenn es eine Wahrheit aus unserem Leben in der bislang „besten aller Zeiten“ gibt, dann diese: Die Welt geht nicht immer nur geradeaus. Wenn etwas schlechter wird, sogar richtig schlecht, furchtbar, dann zeigt sich auch, dass es wieder besser werden kann.
Jeder Trend erzeugt einen Gegentrend.
Auch der Schlechte.
Alles kehrt wieder.
Aber niemals in derselben Form.
Aus Paradoxien erzeugt sich das Neue.
Aus der Zukunft gesehen,
Wird so das Neue Normal entstanden sein.
Und die Musik wird wieder klingen.
Es lebe die Zukunft!
„Nichts kann existieren ohne Ordnung.
Nichts kann entstehen ohne Chaos.”
Albert Einstein
„A crisis represents the appetite for growth that hasn’t found another way of expressing itself. Many people, after a horrific few months or years of breakdown, will say: „I don’t know how I’d ever had got well if I hadn’t fallen ill.”
Alain de Botton, The school of life, S 75
„Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben. Wir verfügen über alle Werkzeuge, die wir brauchen, die Gedanken und Ideen von Milliarden bemerkenswerter Köpfe und die messbaren Energien der Natur, die uns bei unserer Arbeit helfen. Und wir haben noch EINES – eine Fähigkeit, die vielleicht einzigartig unter den Lebewesen auf dem Planeten ist – uns die Zukunft vorzustellen und darauf hinzuarbeiten.”
David Attenborough