Die Klima-Regnose

Wie man sich selbst in die Zukunft beamt

„Wenn wir mit dem Neuen konfrontiert sind, neigen wir dazu, uns an die Dinge und Gerüche der jüngsten Vergangenheit zu klammern. Wir schauen auf die Gegenwart durch einen Rückspiegel. Wir marschieren rückwärts in die Zukunft.“
Marshall McLuhan

Gehören Sie auch zu denjenigen, die an der Zukunft verzweifeln? Oder nahe dran sind, die Welt verloren zu geben? Oder gleich ganz zum Teufel zu schicken?

Der Mensch ist zu blöd zum Überleben. Wir werden sowieso aussterben. So denken heute viele, vor allem viele Deutsche. Viele sensible Menschen. Sie merken dabei meistens nicht, dass sie zu „den Menschen“ dazugehören. Dass die Abwertung „der Menschen“ auch eine Selbst-Abwertung ist.

Oder eine missglückte Aufwertung. Ich bin schlau, alle anderen sind doof!

Man kann ja verstehen: Jeden Tag nur Hiobsbotschaften. Krieg, Konflikte, Krankheit, Korruption, Armut. Und als allerhöchste Kategorie das, was „unaufhaltsam“ und „bedrohlich“ und „tödlich“ und vor allem UNVERMEIDLICH auf uns „zukommt“.

Die Klima-Katastrophe!

Allein in diesem Wording liegt ein kognitives Problem. Die Welt wird wärmer, das stimmt. Der menschliche Einfluss ist überwiegend dafür verantwortlich. Das stimmt auch. Es gibt mehr Regen, zugleich Hitzewellen, Trockenheiten. All das sehen wir jeden Tag in den Medien. Aber ist das das ganze Bild. Ist es die „Wahrheit“ in einem unveränderlichen Sinne? Wird die Welt durch die Erwärmung „zerstört“ werden?

Es gibt auch in Sachen Katastrophen eine Art Größenwahn-Phantasie. Wie schön und dramatisch sie schon beschrieben worden ist, diese überhitzte Endzeit! Zum Beispiel von Roland Emmerich, dem berühmten deutschen Doomsday-Regisseur (er hat auch Heldenfilme wie „Independence Day“ gedreht). In „The Day After Tomorrow“ ließ er New York komplett einfrieren. In „2012“ wurde sogar der Mount Everest von den steigenden Fluten überschwemmt.

Wir machen’s gründlich. Und diese Bilder bleiben im Unbewussten haften. Sie PRIMEN uns für eine katastrophische Weltsicht, die uns lähmt, denkfaul und handlungsarm macht.

Auch früher gab es schon Klimawandel. Große zivilisatorische Veränderungen der Menschheit gehen auf Klimaveränderungen zurück. Lebewesen haben sich seit Jahrmillionen wandelnden Umweltbedingungen angepasst. Das ist das Wesen des Lebens: Veränderung. Anpassung. Adaption.
Wenn wir über den Klimawandel nach-fühlen, konstruieren wir jedoch nur Ohnmacht und Resignation.

Menschen können ihr Verhalten, ihre Lebensweisen und Denkmuster ändern. Wir haben heute, als technische Zivilisation, ungleich mehr Möglichkeiten als unsere Ur-Vorfahren, die – nebenbei bemerkt – den ganzen Planeten bis in die unwirtlichsten Klimazonen erobert haben. Und dort lernten, zu überleben.

Es geht in diesem Denk-Papier um die verschiedenen Schichten, die unser kollektives und individuelles Handeln beeinflussen:

  • Um die Frage, wie wir mit Gefahren, Krisen umgehen, und ob Individuen, Gesellschaften und Zivilisationen sich verändern können.
  • Um die Frage, wie Zukunft in unserem Kopf entsteht.
  • Und um die Frage, wie wir Verzweiflung, Zynismus, Gleichgültigkeit und aggressive Leugnung und die verbreitete Zukunfts-Depression überwinden können.

    Das hat allerdings wenig mit den Klischees des „Optimismus“ und des „Pessimismus“ zu tun. Es geht nicht um Launen, Stimmungen. Meinungen werden überschätzt.
    Es geht darum, was uns für den Wandel motiviert.
    Was uns innerlich bewegen, antreiben, verändern kann.

    Zunächst gilt es, einige Begriffe zu klären, die unsere innere – und damit auch die äußere – Zukunft beeinflussen. Das Wort PRO-GNOSE zum Beispiel ist ein interessantes Phänomen. Es beinhaltet vom Wortstamm her eine positive Silbe – PRO. Gnosie kommt aus dem Altgriechischen und heißt Wissen, Erkenntnis.

    Prognosen gibt es wie Sand am Meer. ALLE machen Prognosen: Ökonomen, Ökologen, Marketing-Leute, Firmenstrategen, Politiker, wir selbst, wenn wir morgens vor dem Badezimmerspiegel stehen und uns den kommenden Tag vorstellen. Prognosen können richtig sein oder falsch. Sie können geglaubt werden oder nicht. Sie sind wichtig, weil wir damit unseren Weltbezug kalibrieren.

    Die „Klima-Katastrophe“ ist ein typisches Beispiel, wie aus einer Prognose eine Prophezeiung wurde. Der Unterschied ist entscheidend. Eine Prognose benennt und schildert eine MÖGLICHE Zukunft. Eine Prophezeiung ist hingegen eine FIXIERTE Zukunft, an die wir glauben. Beziehungsweise „geglaubt werden“. Denn zur Prophezeiung gehört immer der oder die Prophet(in). Der uns in die fixierte Zukunft führen wird.

    Prophezeiungen können gefährlich sein. Sie spielen immer mit Erlösungsversprechen. Sie sind Machtinstrumente.
    Prophezeiungen können sehr dunkel werden. Wir können uns in fataler Weise in sie verstricken. Dann werden es Self-fulfilling prophecies.

    Die Kognitions-Psychologie zeigt: Der menschliche MIND neigt dazu, kategoriale Systeme, so genannte FRAMES, vor die Wirklichkeit zu schieben. Wir sehen die Welt und die Zukunft in KONSTRUKTEN – aus einem engen Fenster heraus, dessen Rahmen unseren Vorstellungen, Ideologien und Erwartungen entspricht. Unseren inneren Prophezeiungen.

    Hier genau kommt der Begriff der Re-Gnose ins Spiel. In der Re-Gnose überprüfen wir unser Wissen über die Welt, unseren FRAME, unser Fenster in die Zukunft. Wir erweitern es durch eine Technik, die man Mindwandering nennt. Eine Re-Gnose entsteht, wenn wir aus der Position des Zukunfts-Wanderers auf uns selbst reflexiv zurückblicken. Und uns fragen:
    Wie sind wir eigentlich darauf gekommen?
    Und wie konnten wir lernen, es ANDERS zu sehen?
    Auf diese Weise erweitern wir unser Bewusstsein in die Zukunft. Wir nehmen Kontakt mit unserem „Future Self“ auf, unserem Zukunfts-Selbst.
    Menschen können das. Immer schon.

    Sich verändern durch die imaginierte Zukunft.
    Sonst wären wir nicht hier.
    Ist es wirklich so unmöglich, sich vom Öl, Gas und Kohle, von der „fossilen Lebensweise“, zu verabschieden?
    Ist dieser Wandel, der jetzt vor uns liegt – die Anpassung der industriellen Zivilisation an die Ökologie –, wirklich „aussichtslos“?
    Nur, wenn wir das glauben.

    Es gibt drei Möglichkeiten, unseren MIND vor falschen und negativen Zukunfts-Fixierungen zu schützen: Humor, Kunst und Weisheit. Die Re-Gnose ist ein Teil der Weisheit. Aber sie beinhaltet auch Elemente von Kunst und Humor. Eine Kunst ist es, in scheinbaren Paradoxien zu denken – wie soll man „aus der Zukunft“ heraus die Gegenwart betrachten? Humor kommt spätestens dann ins Spiel, wenn wir uns in der Zukunft fragen, wie wir früher eigentlich so blöd gewesen sein konnten. Kennen Sie das? Allein das Lachen darüber hat befreienden Charakter.

    © Zukunftsinstitut

    Re-Gnose beding ein beidseitiges Zukunfts-Denken. Die Zukunft ist nicht nur außen, sondern auch innen. Der Punkt des Wandels – der Ort, in dem die wahre Zukunft entsteht – liegt genau in der Mitte des endlosen Zirkels, der uns mit der Welt und dem Morgen verbindet.

    Die fünf Schritte der (Klima-)Re-Gnose

    1. Die eigene Angst als Angst erkennen.
      Angst ist ein wichtiges Gefühl, das uns auf Gefahren hinweisen soll. Aber Angst beschreibt nicht die kommende Wirklichkeit. Sie ist ein SIGNAL, keine Zukunfts-Beschreibung.
    2. Den Raum der Zukunfts-Möglichkeiten erforschen.
      Der menschliche Geist kann in die Zukunft reisen und sich vorstellen, wie es sein könnte. Beim EPISODIC FUTURE THINKING (EFT) können wir uns eine Welt vorstellen, die ohne fossile Verbrennung funktioniert. Und vielleicht sogar besser ist als unsere heutige Lebensweise.
    3. Den Wandel der Gegenwart wahrnehmen.
      Viel postfossiler Wandel passiert schon heute. Die Medien stellen allerdings eher das Misslingende dar. Achten Sie auf das, was heute in Richtung auf eine Klimawende deutet. Richten Sie Ihre Achtsamkeit Richtung LÖSUNG.
    4. Die eigene Wirksamkeit erkennen.
      Wir sind nicht ohnmächtig. Wir müssen auch nicht dauernd in Schuldvorwürfen verharren. Wir können in unserem persönlichen Leben etwas ändern – uns persönlich „defossilisieren“ (ja, das geht ganz gut!). Das führt zu einem stimmigeren Lebensgefühl, durch das wir mit uns und der Welt in Einklang kommen.
    5. Von der Lösung her handeln.
      Lösungshandeln bedeutet, die innere Frage umzudrehen. Statt „Warum geht das nicht?“ zu „WIE GELINGT’S“? Das fokussiert die Energie ins Konstruktive. Und verhindert, dass wir unser Leben mit Grübeln, Kritik und Negativität verschwenden.

„When we think about how the future might be different, we better understand how we might be different too.“
Jane McGonigal, Futuristin