27 – Schnee von morgen

Matthias Horx – März 2018

An der Einstellung zum Wetter entscheiden sich viele unserer Zukunftsbilder. Das war schon in Urzeiten so, als die Menschen Blitz und Donner als gefühlte Strafen codierten, oder Überschwemmungen als Anzeichen göttlichen Zorns. Heute hat die religiöse Wetterfühligkeit die Gestalt von »Global Warming« angenommen.

Alles ist nun Zeichen, dass es demnächst besonders schlimm über uns kommt. Regen, Schnee, warme Sommer, kühle Sommer, gar ein Sturm – all das ist doch nicht normal! Auch der kalte und schneereiche Februar ist wieder einmal der BEWEIS, dass das Klima »aus den Fugen« gerät.

Wie können wir diese »cognitive bias«, diese Weltwahrnehmungs-Verzerrung, etwas lindern? Das versucht Günther Aigner, ein Schneeforscher aus Kitzbühel, (www.zukunft-skisport.at). Er hält seit vielen Jahren inspirierende Vorträge über die Zukunft des Schnees in den Alpen.

Dafür tut er etwas ganz Simples: Er misst Schneehöhen und Temperaturen in Wintersportgebieten über längere Zeiträume. Und hat dabei etwas sehr Interessantes festgestellt: Die Schneehöhen haben seit 100 Jahren so gut wie gar nicht abgenommen. Auch die mittleren Temperaturen auf 1.000 oder 2.000 Meter Höhe in den Alpen oszillieren um einen Wert, der kaum von langfristigen Mittel abweicht.

Es gab in den letzten 50 Jahren wärmere Winter, aber auch kältere. Die Winter werden auch nicht generell kürzer. Momentan sieht es sogar so aus, als ob es wieder längere Winter und mehr Schnee gibt.

Wie das? Hören wir nicht in jedem Jahr den Sound der alpinen Tourismusindustrie, dass wegen des Klimawandels »demnächst« kein Skifahren mehr möglich sein wird? Dass die Saison immer kürzer wird? Dass es einen »Megatrend grüne Pisten« gibt oder „demnächst die Tiroler Wein anbauen werden”? Das erfordert dringend Subventionen! Ganze Regionen sind existenzbedroht! Man muss neue Gletscher zum Skifahren erschließen, ganz hoch hinaus! Man muss ganz neue Schneisen in den Wald schlagen, Straßen bis auf 3.000 Meter Höhe!

Die Sache mit dem Schnee ist ein gutes Beispiel dafür, wie negative Zukunftsaussagen eine eigene Bedarfs-Logik entwickeln. Sie erzeugen ihre eigene eine Spirale an meistens falschen Rück-Schlüssen. In Sachen Schnee ist die Aufrüstung bislang allenfalls mit Schneekanonen erfolgt, das ist nicht ganz so schlimm. Aber es könnte zu massiven Fehlentscheidungen kommen, etwa wenn ganze Landstriche sich vom Skifahren verabschieden.

Mit dem Verweis auf katastrophale Trends kann man auch prima von den wahren Problemen ablenken, in diesem Fall etwa einer Über-Kommerzialisierung des Skisport, die immer mehr Skiorte in einen einzigen Alkohol-Rummel verwandelt. Dabei entstehen neue kommerzielle Zwänge: Eine Saison MUSS 100 Tage Vollschnee haben, sonst gilt sie als Pleite; schließlich muss man all die teuren Anlagen bezahlen!!!

Auf diese Weise werden einfach die Kriterien verschoben für das, was als »normal« gilt – ein Katastrophierungs-Prinzip, dass wir auch in anderen Bereichen kennen. Auch früher schon gab es Weihnachtstauwetter und verregnete Januare. Die haben wir nur vergessen – und erinnern uns nur an den »herrlichen Schnee« unsrer Kindheit.

Eine weitere Gefahr besteht darin, dass durch Übertreibung die ganze Klimapolitik unglaubwürdig wird. »Fake News« eben: Wenn plötzlich die Winter wieder schneereich werden, glaubt keiner mehr an »Global Warming«. Übrigens hat Günther Aigner festgestellt, dass es »Global Warming« in den Alpen sehr wohl gibt. Aber eben im Sommer. In der warmen Saison sind die Temperaturen tatsächlich um 1,5 Grad gestiegen. Damit erklärt sich auch der Rückgang der Gletscher. Das Klima ist komplex. Die menschliche Wahrnehmung leider nicht so sehr. Zukunftsannahmen, vor allem negative, sind oft durch eigene Interessen und mediale Hysterisierungen geprägt. Das ist für Zukunftsforscher eine wichtige Botschaft. Dagegen hilft nur »Futuristische Gelassenheit«.

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