14 – Die Bartonomie (Bartonomics)

Oktober 2017

Manche Märkte sind so etwas wie eine Lizenz zum Gelddrucken. Gummibärchen zum Beispiel gehen immer, rund um die Uhr. Red Bull ist eine verlässliche Substanz, solange es Clubs, pubertierende Söhne und Lastwagen gibt. Ebenso lässt sich die Droge Benzin – bis auf weiteres – von früh bis abends garantiert verkaufen. Zu einem der lukrativsten Weltmärkte gehörte bislang der Rasiermarkt. Gesichts-Haare wachsen 24/7, und so gehören Gillette und Wilkinson zu den Weltfirmen mit der größten Profitmarge und der – bislang – kleinsten Konkurrenz.

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Doch jetzt entsteht rund um das meist männliche Barthaar ein eine neue, weitaus spannendere Markt-Ökonomie. Wer hätte gedacht, dass innerhalb kurzer Zeit die Selbstverständlichkeit der täglichen Rasur kippen könnte? Jahrelang hatte die Rasierindustrie den Männern beigebracht, dass jeder noch so kleine Rest des Barthaares mit lasergefrästen High-Tech-Platin-Supertech-Methoden zu bekämpfen wäre.

Die Hipster mit ihren Prachtbärten brachten nun einen massiven Gegen-Trend in Gang. Heute lässt sich sogar der Manager plötzlich wieder einen Schnauzer oder einen Achttagebart stehen. Ganz zu schweigen von Kai Dieckmann. Oder Chonchita Wurst.

Die Rasier-Giganten reagieren etwas ratlos auf den Trend. Neu erschlossene Teil-Märkte wie Intimrasur und Frauenbeinhaare konnten wenig ausgleichen. Zudem traten Internet-Anbieter auf den Markt, die den gotesk überteuerten fünflagigen Klingen Billigeres gegenübersetzten. Ryanair gegen Lufthansa.

Welcher Bart-Ökonomie gehört die Zukunft? Bartwachs, Sprays und Pflegeöle, Trimmer und Scheren bilden einen neuen großen Markt, aber hier können auch andere Anbieter punkten. Ganz neue Bart-Lounges und FACIAL FRISEURE eröffnen in den Hip-Arealen der Welt. Wird Gillette eine Barbierkette eröffnen, McShave?

Die BARTONOMIE ist eine Metapher dafür, wie auch sehr stabile, durch technische Dominanz entstandene Monopol-Märkte über Nacht aufbrechen können, wenn im semantischen Umfeld des Produktes ein Bruch entsteht.

Manchmal ist die Mode mächtiger als die Marktmacht. Modische Disruption hat schon die Welt verändert. Im Jahre 1934 zog Clark Gable im Kult-Film „It Happened One Night” sein Hemd aus und trug kein Unterhemd darunter. Daraufhin brachen die Unterhemd-Umsätze amerikaweit massiv ein, was ganze Marken und Textil-Regionen zerstörte. Und womöglich die Amerikaner in den Zweiten Weltkrieg trieb.

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