13 – Future Trends

Zwei neue Trendbetriffe für 2018

Oktober 2017

Der Possibilismus

Von engl. „possible” = möglich. Der Begriff wurde von Hans Rosling, dem globalen Daten-Guru, auf die Frage eines Journalisten in den Raum gestellt: „Woher nehmen Sie eigentlich ihren unerschütterlichen Optimismus???” – Antwort: „Ich bin weder Optimist noch Pessimist, ich bin POSSIBILIST!” Vorher hatte er auf der Bühne etwas „scheinbar Unmögliches” gemacht – ein Schwert geschluckt. Und behauptet: Die weltweite Armut ist besiegbar!

Possibilismus ist eine Lebenshaltung, die auf dem Möglichen basiert, das sich zwischen dem unvermeidlichen (= zufälligen) und dem planbaren (= gestaltbaren) entwickelt. Vom Optimismus unterscheidet er sich dadurch, dass er das Böse und Schlechte weder ausklammert noch ignoriert. Vom Pessimismus unterscheidet er sich durch die grundlegend zuversichtliche Haltung: Positiver Wandel ist möglich – die Geschichte beweist das. Wandel wird von Menschen erzeugt, setzt aber auch einen INNEREN Wandel voraus.

In der Welthaltung des Possibilismus verzichten wir auf das SCHLECHT-MACHEN („Awfulizing”) der Welt, und die damit verbundene Verstärkung von Furcht und Angst. Wer bewusst in Bindungen in Beziehungen lebt, weiss, dass man mit seinen Traurigkeiten und Depressionen die anderen anstecken kann (Verbitterungs-Syndrom). Wir distanzieren uns vom Resonanzsystem der Medien, die uns jeden Tag in den Furor oder die Angst versetzen wollen, um unsere Aufmerksamkeits-Ressourcen auszubeuten.

Possibilismus ist eine reflektierte Haltung der Verantwortung gegenüber der Welt. Possibilismus beinhaltet auch einen melancholischen Effekt: Wir können nicht alles im Leben – und in Richtung Zukunft – kontrollieren. Aber wir können das Beste aus unseren Möglichkeiten machen. Der Pessimist hingegen gibt die Welt verloren, und schließt sich dabei in ein scheinbar konsistentes Weltbild ein, das ihm Deutungsmacht und das Anrecht zu Häme und Triumph gibt (Apokalyptischer Spießer).

Possibilismus ist reflexiber Futurismus: Man sieht die Gegenwart von einer gelungenen Zukunft aus, und fragt sich, wie man dorthinkommt.

WORK-LIFE-DYNAMIK
statt Work-Life-Balance

Die schöne Formel Work-Life-Balance ist nun beinahe zwanzig Jahre alt. Langsam kommen wir dahinter, warum dieses Bonmot nicht nur fasziniert hat, sondern auch unentwegt frustriert hat. Denn was als Befriedung eines Spannungsverhältnisses gedacht war, führte zu einer ständigen Eskalation des Problems. Ähnlich wie bei Diäten, die immer nur dicker machen. Jeder, der „Balance” versuchte, landete in einer Tretmühle. Entweder die Arbeit kam zu kurz. Oder die Familie. Immer kam es zu einem hektischen Hin- und Herrennen, zu schlechtem Gewissen, dem Gefühl des ewigen Ungenügendsein.

Der Grund liegt im Wesen der dynamischen Systeme, die das Leben prägen. Sowohl die Arbeit als auch das Leben (Liebe, Privatheit, Familie) entwickelt sich in Komplexitäts-Kaskaden, die unser Dopaminsystem anregen. Gute Arbeit will uns immer mit Haut und Haar. Glückliche Familie auch. Am Schlimmsten wird die Balance-Idee, wenn die Arbeit uns Sinn gibt, uns auch persönlich voranbringt. Dann werden Arbeitsbeziehungen zu Lebensbeziehungen. Und wenn dann auch noch das Private, die Liebe, die Familie, uns guttut, wird das Dilemma unerträglich. Dann entstehen jene Halbzeit-Fallen, in denen wir uns in der Arbeit unglücklich fühlen. Und trotzdem keine Erfüllung in der Familie finden.

Work-Life-Balance kann eigentlich nur entstehen, wenn man in beiden Sektoren des Lebens unglücklich ist.

Der Business-Poet David Whyte hat ein anderes Modell angeboten. Er spricht von den „Three Marriages”, den drei Hochzeiten, die jeder von uns in seinem Leben eingeht. Mit sich Selbst, seiner Arbeit, und seiner Liebe beziehungs­weise Familie. Diese Kontrakte ERGÄNZEN und DURCHDRINGEN sich, sie sind die Konversation des Lebens.
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David Whyte schreibt:
„Jede der drei Ehen ist im Grunde unverhandelbar. Sie können nicht gegeneinander „balanciert” werden. Das führt nur dazu, dass wir in JEDER immer härter arbeiten, und dadurch die ANDERE schwächen. Jede der drei Ehen repräsentiert eine Kern-Beziehung zum Leben selbst, die man nicht schwächen darf, ohne in seinem menschlichen Dasein schweren Schaden zu erleiden.”

Wir können nur gute Arbeit machen, wenn wir uns im Privaten geliebt fühlen, und wenn wir uns SELBST akzeptieren und mögen. Das Leben verläuft um diese drei Kraftzentren in konzentrischen Spiralen, wobei sich immer mehr Erfahrung und Integration bildet. Das Ganze ähnelt eher der Konfiguration eines Tanzes als einer finiten Ausgeglichenheit. Wir müssen akzeptieren, dass es dabei zu Turbulenzen kommt, ja, diese Turbulenzen sind wertvoll, sie sind Teil des persönlichen Entwicklungsprozesses. Dafür, dass wir uns vom Balance-Stress entlasten, ist ein nach-industrielles, nicht mehr an Zeitkontingenten orientiertes Arbeitsmodell ebenso hilfreich wie das Verständnis dafür, dass Liebe nicht ständige Präsenz voraussetzt.

Formulierungs-Alternativen:
Work-Life-INTEGRATION
Work-Life-VERSÖHNUNG
Work-Life- DANCING!

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Bei Nachdruck-Anfragen wenden Sie sich bitte an Mag. Michaela Németh: michaela.nemeth@horx.com