Was ist Zukunftsforschung?

Die meisten Menschen verwechseln Zukunftsforscher entweder mit reinen Prognostikern oder mit Propheten. Prognostiker sind meist auf Branchen spezialisiert und versuchen, bestimmte Prozesse mit Modellbildung und Statistik zu durchdringen. Das kann das Wetter sein oder Börsenkurse oder die Konsummärkte oder die Demographie. Dabei entstehen allerdings oft Tunnel-Sichten, Verengungen. Wer die Welt in ihrem Wandel nur ökonomisch oder technologisch oder im Sinne des Konsums beobachtet, unterliegt irgendwann der «Confirmation-Bias» – der Erwartungs-Verzerrung.

PROPHETEN hingegen sind Verkünder kommender Zustände, die erwünscht oder gefürchtet sind. Ein Prophet erfindet eine fixierte Zukunft, in die er führen will und die er mit seiner Prophezeiung selbst erschafft.

Prophezeiung ist immer Manipulation.

Im Unterschied dazu versucht die holistische (ganzheitliche) oder humanistische Zukunftsforschung einen anderen Ansatz. Zwar geht es hier auch um prognostische Techniken (z.B.: im Kontext der Megatrends und ihrem «Impact»). Da jedoch alle Prognose-Techniken Grenzen haben und immer in der Unschärfe oder im Irrtum landen (weil es ja keine heute bereits FIXIERTE Zukunft gibt) ist es sinnvoller, sich der «Zukunft als Verhältnis» zu nähern. Als Beziehung von uns Menschen zu einer Dimension, die zeitlich und räumlich weit über uns hinausweist. Dies verbindet die ganzheitliche Zukunftsforschung eher mit Religion und Philosophie als mit Ökonomie und Statistik.

In einer erwachsenen, das heißt reflexiven Zukunftsforschung, geht es darum, die Zukunft als Handlungs- und Entscheidungs-Kategorie zu erschließen. Als einen Möglichkeitsraum zu beschreiben, der handelnd und denkend zu erforschen ist. Dazu gilt es zunächst, die Kategorie der Zukunft habituell, kulturell, sozial und MENTAL zu durchdringen.

  • Wie entstehen Zukunftsbilder in Individuen, Gesellschaft, Organisationen?
  • Welche Funktion haben diese Bilder, wie WIRKEN sie in sozialen, ökonomischen, gesellschaftlichen Prozessen?
  • Welche Narrative der Zukunft werden deutungs- und geschichtsmächtig?
  • Was können wir „aus der Zukunft lernen“?
  • Wie können Zukunfts-Irrtümer kostbar werden?

Es geht in diesem Ansatz also auch um die POESIE der Zukunft. Das, was uns an ihr verzaubert, verwandelt, womöglich sogar leitet. Aber auch in die Irre führt. Die Zukunft wirkt in diesem rekursiven Ansatz wie ein Spiegel, eine endlose Schleife, die uns in der Spannung des WERDENS hält. So ist Zukunftsforschung bereits die Wandlung selbst, die sie zu beschreiben versucht. Als innere Transformation. Als Erneuerung der Welt-Perspektive. Als Bewusstseins-Erweiterung.

The future is not some place we are going to
but an idea in our mind now.
It is something we’re creating, that in turn creates us.
the future is a fantasy that shapes our present.

Die Zukunft ist kein Ort, zu dem wir gehen
sondern eine Idee in unserem heutigen MIND.
Etwas, das wir erschaffen, und das umgekehrt UNS erschafft.
Die Zukunft ist eine Fantasie, die unsere Gegenwart formt.

Stephen Grosz, Psychiater



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