76 – Intelligenter Optimismus

Wie unsere Welt-Haltungen die Zukunft erschaffen


Geht es Ihnen auch manchmal so, dass Sie sich der allgemeinen Weltuntergangsstimmung nicht erwehren können? Wird nicht alles immerzu schlechter? Geht die Welt, wie man so schön sagt, „unweigerlich den Bach herunter“?
Es ist in der Tat nicht leicht, auch nur einen Abend den Fernseher anzustellen, ohne an Menschheit und Planet zu verzweifeln. Es reicht schon das Programm von RTL. Oder ein Blick in den SPIEGEL, dieses verlässliche Organ dafür, dass die Welt immer schwieriger und unlösbarer und unübersichtlicher wird.
Aber ist das alles real, wovor wir uns fürchten? Ist die schreckliche Zukunft, die wir in Medien und Hirn generieren, die Wirklichkeit?

Was ist «Intelligenter Optimismus»?

Zunächst gilt es, den dummen Optimismus zu verstehen. Das ist jene Welthaltung, der die Welt eigentlich egal ist. Hauptsache die Laune stimmt. Das ist der Optimismus von Schlagersängern, die sich innerlich kaum auf den Beinen halten können, aber vom „Großen Glück“ singen. Von Tschakka-Börsen-Brokern oder Werbestrategen, die den Optimismus als Verkaufsparole benutzen.
Davon gibt es viele.
Optimismus kann eine Variante des Zynismus sein. Indem er das Schlechte und Bedrohliche leugnet, das es ohne Zweifel im Leben, in der Welt, gibt. Und versucht, alles auf die «Stimmung» zurückzuführen.

Kinder haben übrigens meistens einen schlauen Optimismus. Sie wissen, dass sich das Monster unter dem Bett verstecken kann. Und dass der böse Mann vielleicht gleich um die Ecke wohnt. Aber Kinder lassen sich, wenn sie in einer gesunden Beziehungswelt leben, von Monstern und bösen Männern nicht über alle Maßen beeindrucken.

Um intelligenten Optimismus zu leben, muss man zunächst verstehen, wie Pessimismus wirklich funktioniert. Pessimismus ist weniger das Ergebnis schlechter Erfahrungen. Sondern ein Schutzversuch. Es geht darum, innerlich unverletzt zu bleiben, indem man alles Schlechte unentwegt voraussieht.

Der Pessimist möchte mit der Formel „Ich hab‘ ja immer schon gewusst“ um jeden Preis die Kontrolle behalten. Er macht sich vor, dass der Schmerz weniger wehtut, wenn man sich andauernd darauf vorbereitet. Oder, in der magischen Variante: Dass das Schlechte gar nicht erst eintritt, wenn man es drastisch beschwört und damit droht.
Die Science-Fiction-Autorin Ursula K. Le Guin schrieb über die überall kursierenden Weltuntergangs-Visionen:

„Die modische Dystopie noire kehrt die Plattitüden lediglich um, verwendet Säure statt Süßstoff und übergeht doch die Auseinandersetzung mit menschlichem Leid und echten Möglichkeiten.”

Beides, ignoranter Optimismus wie apokalyptischer Pessimismus, sind in Wahrheit Beziehungs-Verweigerungen. Sie entstehen aus der Weigerung, sich mit der wirklichen Welt und anderen Menschen in wahrhaftige Verbindung zu begeben. Und für etwas Besseres einzustehen.
Erst wenn wir uns verbinden und im Positiven «verschwören», entsteht eine Wirklichkeit der Zukunft, auf die wir uns beziehen können.

Eine der momentan stark wachsenden Denkschulen ist der Stoizismus. Diese aus der Antike stammende Philosophie bietet eine intelligente Technik, mit dem Bedrohlichen und Schrecklichen anders umzugehen als durch Verdrängen, Blauäugigkeit oder apokalyptische Selbstverwerfung.
(Siehe als Einführung z.B.: Irvine, William B., „Eine Anleitung zum guten Leben: Wie Sie die alte Kunst des Stoizismus für Ihr Leben nutzen“, FinanzBuch, München 2020)

Die Grunderkenntnis des antiken Stoizismus besteht, ähnlich wie beim Buddhismus, darin, dass wir im Grunde nicht an der „Umwelt“, sondern immer an unseren Ansprüchen und Anmaßungen scheitern. Das Leid entsteht vor allem in unseren Erwartungen, auf die wir uns hartnäckig fixieren. Immer werden wir enttäuscht! Immer will die Welt nicht so, wie WIR wollen! Böse Welt, schlechte Welt!
Im Gegensatz zum klassischen Buddhismus zielt der Stoizismus aber nicht auf Rückzug und Vergeistigung ab. Sondern auf ein aktives, pragmatisches Verhältnis zur Welt.

Stoizismus bietet etwas an, was man „Enttäuschungskluge Zuversicht“ nennen könnte. Im Kern geht es darum, unser Welt-Verhältnis in drei Kategorien aufzuteilen:

  • Das, was ich nicht ändern kann.
  • Das, was ich kontrollieren und ändern kann.
  • Das, was ich beeinflussen kann, aber nur teilweise.

Der eigentliche Grund für unser modernes Leiden an der Welt – und unsere Zukunfts-Unfähigkeit – liegt an unserer Selbstüberforderung. Wir fühlen uns dauernd für alles verantwortlich, für alles Bedrohliche und Furchtbare, alles Ungleiche und Ungerechte, was durch die Milliarden Kanäle der Medien in unser Hirn träufelt. Und haben gleichzeitig den Größenwahn, das alles allein «lösen» zu müssen. Diese negative Allmachtsphantasie macht uns verrückt.
Dabei ignorieren wir hartnäckig (und halbherzig) das, was wir tatsächlich ändern könnten. Und das ist mehr, als wir denken, wenn wir auf den Negativ-Trips sind.

Eine klassische stoizistische Übung ist die „Praemeditatio Malorum”. Ich denke ich jeden Morgen an das Schlechteste – um mich den Rest des Tages davon zu befreien. Wir stellen uns vor: Wir sterben an Krebs. Unser Partner verlässt uns. Wir bekommen Alzheimer. Unser Hund stirbt. Oder umgekehrt: Der Hund bekommt Alzheimer, wir sterben. Der Weltkrieg bricht aus, weil irgendein fanatischer Diktator durchdreht. Die Erde erhitzt sich wie ein Grillhähnchen, und alle Menschen sind tot.

Albert Ellis, einer der Begründer der kognitiven Verhaltenstherapie, nannte dieses Verfahren „aktives Dekatastrophieren“. Indem man sich das Schlimmste in allen Varianten vorstellt, wird es aus dem mind herausgeschwemmt. In ironischem Englisch: „Scaring the shit out of me…”.

Reifer Optimismus bezieht sich nicht so sehr auf einen bestimmten Zustand, auf eine fixierte Zukunft die wir wünschen oder fürchten. Sondern darauf, dass wir anderen – und uns selbst – etwas zu-trauen.

Aus der „Praemeditatio Malorum” bewegen wir uns dann zurück in die Wunder der Wirklichkeit. Wir sind noch nicht tot, vielmehr doch ziemlich lebendig – ist das nicht erstaunlich? Wir leben womöglich eine glückliche Beziehung. Oder eine Beziehung, die glücklicher werden kann. Wir haben erstaunliche Freunde. Es herrscht mehr oder minder Frieden, auch wenn alle in den Medien sich verbal die Köpfe einschlagen. Der Hund liegt friedlich auf dem Sofa.
Es gibt Glück, wenn wir es sehen.
Die Welt geht womöglich gar nicht unter. All das ist nur eine Fiktion unseres aufgeregten Hirns.
In dieser Re-Gnose (Wieder-Schöpfung) entsteht die Kostbarkeit des Lebens. Und eine Beziehung zur Zukunft, für die man nun selbst verantwortlich ist.

Der kluge Optimist versteht, dass der menschliche Geist in der Lage ist, sich selbst unentwegt zu täuschen. Er ist Konstruktivist, das heißt, er hat verstanden, dass die Welt nicht «da draußen» entsteht. Sondern in unseren inneren Bildern, den «Frames» unseres Denkens.
Der kluge Optimist vermeidet sinnlose Spiele. Meinungsstreit im Internet. Erregung, die nichts nützt.
Er kann trotzdem wütend werden, denn auch das ist Ausdruck von Lebendigkeit.
Vor allem weiß der kluge Optimist, dass seine inneren Haltungen nicht einfach Privatsache sind. Man kann mit apokalyptischem Spießertum, mit Selbst-Verwerfung und Welthass, ungeheuer viel verderben. In einer Partnerschaft kann Verbitterung die Liebe leicht zerstören. Im Beruf ist das ständige Negativ-Denken Gift. In der Politik dient zynischer Pessimismus als Waffe für bösartige Populisten. Populisten füttern immer wahnhafte Untergangs-Mythen. Im Namen irgendeines Niedergangs – des Volkes, der christlichen Kultur, der Wirtschaft, der Freiheit – kann man die unverschämtesten Machtansprüche stellen. Und die blödesten Demonstrationen veranstalten.

Die Wahrnehmungsverzerrung erkennen

Ich möchte ich Sie jetzt mit einigen TOOLS vertraut machen, mit denen man sein Denken und Fühlen in Richtung eines konstruktiven Optimismus führen kann. Eine Art mentaler Impfung. Ganz ohne leichtes Fieber entsteht allerdings keine Immunität.

„Wenn wir Probleme zu unserer Wirklichkeitskonstruktion machen, wenn wir uns von ihnen die Welt erklären lassen, dann werden sie uns erzählen, was wir NICHT können. Wir können dies nicht, wir können das nicht – unser Leben wird ein Behältnis für Abwesenheit und Versagen.“
David Niven

Darf ich Ihnen eine Frage stellen:
Wie viele Morde gab es im Jahr 2020 in Deutschland?
Schreiben Sie sich eine Zahl auf.
(Anmerkung: Morde werden zu 95 Prozent aufgeklärt. Die Dunkelziffer ist sehr gering. Die Definition von Mord folgt der juristischen Definition: ein Mord muss geplant und absichtlich geschehen, aus niederen Gründen. Wir reden also hier nicht von Verzweiflungs- oder Affekt-Taten).

 

 

 

 

Hier ist die Antwort:
Es gab 245 Morde im Jahr 2020 – bei 83 Millionen Einwohnern.
245!

Statistik: Anzahl der polizeilich erfassten Fälle von Mord in Deutschland von 2001 bis 2020 | Statista
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Ich teste diese Zahl öfters im Publikum meiner Veranstaltungen. Der Mittelwert der Schätzungen liegt bei 2.500, wobei nicht wenige Menschen auch 10.000 und weit mehr angeben. Die Streuung ist bei dieser Frage enorm – anders als bei anderen Statistiken, wo eine enge Gaußsche Verteilung vorherrscht.

Wir glauben, in einer gefährlichen, mörderischen Welt zu leben. Alle Motive, jemanden umzubringen, werden in tausenden von raffinierten (nicht selten brutalen) Krimiserien rund um die Uhr durchleuchtet. Bei stetigem Gebrauch des Verbrechens als abendliches Beruhigungsmittel wird unser Menschenbild ernsthaft beschädigt. Wir glauben dann, dass „der Mensch“ immer so ist, wie er in den (seltenen) Ausnahmefällen von Mord und Totschlag agiert. Ab einer gewissen Schreckens-Dosis kann unser Hirn nicht mehr zwischen „Tatort“ und Wirklichkeit unterscheiden. Die ganze soziale Umwelt wird dann zu einer monströsen Bedrohung, auf die wir nur noch mit Panik und eskalierendem Misstrauen reagieren können.

Fortschritte abzuwerten, Rückschritte angstvoll aufzublasen – das ist die kollektive Wahrnehmungsstruktur einer hypermedialen Gesellschaft.

Stellen Sie sich jetzt vor – versuchen Sie es einmal! – alle gängigen Negativ-Trend-Vermutungen würden einer solchen Verzerrung unterliegen. Auch die üblichen Immerschlechterismen aus den Talkshows und politischen Debatten:

  • Die Gesellschaft wird immer ungerechter.
  • Die Armut in der Welt nimmt immer mehr zu.
  • Die Natur geht immer mehr kaputt.
  • Die Gewalt greift immer weiter um sich.
  • Global Warming wird die Welt untergehen lassen…

Merken Sie, wie schwierig das ist? Diese Formeln sind regelrecht in uns eingebrannt. Aber das liegt womöglich gar nicht daran, dass sie WAHR sind. Sondern dass sie in der medialen und politischen Kommunikation enorm WIRKSAM sind.
Wenn Sie die Idee eines erwachsenen Optimismus teilen, werden Sie wissen, dass ich diese Übung mit Ihnen nicht mache, um die Welt schönzureden oder populistische Leugnungs-Thesen zu unterstützen. Sondern um unseren FUTURE MIND – unseren mentalen Zukunfts-Sinn – neu zu kalibrieren.
Um die Welt mit neuen Augen zu sehen.
Um offen zu werden für die Zukunft.

Statistik: Höhe der Treibhausgas-Emissionen in Deutschland in den Jahren 1990 bis 2020 (in Millionen Tonnen CO2-Äquivalent) | Statista
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Was fällt Ihnen zu dieser Statistik ein?
a) Im nächsten Jahr wird es dafür umso schlimmer, ist doch klar!
b) Das ist lächerlich! Wir sind doch nur ein winziges Land, wir können GAR nichts bewirken (und alle anderen machen ja sowieso nichts gegen die Erderwärmung!).
c) Es könnte ein Anfang sein, es geht in die richtige Richtung.

Merken Sie, wie jede dieser Antworten Ihren MIND in eine ganz bestimmte Richtung drängt? Die Antworten verraten etwas über Grundkonzept Ihres Denkens. Ob Sie vom Möglichen und Besseren ausgehen – oder ob Sie das Schlechte bedingungslos voraussetzen.

Die Macht der Zusammenhänge erkennen.

Im Jahr 2011 lernte ich Hans Rosling kennen, der uns wie kein anderer ein neues Verständnis der Welt-Trends mit Hilfe dynamischer Statistiken ermöglichte. Hans Rosling stand damals noch vor seinem Weltruhm, den er erst posthum erhalten sollte – nach seinem Tod im Jahr 2018, und vor allem durch seine Bücher „Factfulness“ und „Wie lernte, die Welt zu verstehen“.
Statistik erscheint uns immer als eine trockene, abstrakte Disziplin. Aber Statistik kann höhere Wahrheiten ausdrücken, wenn man mit ihr Korrelationen erklärt. Die Art und Weise, wie Hans Rosling mit globalen Zahlen, Daten, Fakten umging – man schaue sich seine wunderbaren Videoclips im Internet an –, zeigt auf wunderbare Weise, wie es gelingt, aufgeklärt optimistisch zu bleiben.
Indem man den Überblick behält, ohne das Schlechte zu ignorieren.

Im Alter von 28 Jahren zog Hans als junger, idealistischer Assistenzarzt mit seiner jungen Familie für „Ärzte ohne Grenzen“ in den Dschungel. Nach Mozambique, wo in der Endphase des Bürgerkriegs unfassbare Armut herrschte. Er wurde in einem Krankenhaus in der tiefsten Provinz eingesetzt, wo er eine halbe Million bitterarme Menschen ALLEINE zu betreuen hatte – mit örtlichen Pflegern und Schwestern, die alles taten, was menschenmöglich war, aber zum größten Teil weder lesen noch schreiben konnten. Medikamente und Instrumente waren rar, oder gar nicht vorhanden. Hans führte Notoperationen durch, bei denen er Babys im Mutterleib durch Lobotomie töten musste, um die Mütter zu retten. Aber anstatt zu verzweifeln oder sich politisch zu radikalisieren, dachte er immer intensiver über die Bedingungen nach. Wie konnte er mit seinen bescheidenen Mitteln dafür sorgen, dass Krankheiten früher vermieden wurden?

Er verstand, dass es nicht ausreichte, nur diejenigen Kranken zu behandeln, die es zu ihm in die Klinik schafften, wo es oft schon zu spät war. Er verstand mitten im Elend, dass Gesundheit ein SYSTEM ist. Hans besorgte Motorräder für die allernotwendigste Versorgung in den entlegenen Gegenden, und führte statistische Erhebungen durch, mit denen er tatsächlich in der Lage war, regionale Epidemien in Mozambique zu stoppen. Er versuchte, Kurse in Hygiene und Geburtsfürsorge mit Hilfe der Bevölkerung zu organisieren. Er lernte, mit den knappsten Mitteln den höchsten Vorteil, den größtmöglichsten Fortschritt zu erzeugen.
Später half er mit seinen Kenntnissen, die Ebola-Epidemie in Sierra Leone zu stoppen. Er lehrte seinen evidenzbasierten und ganzheitlichen Ansatz in einer medizinischen Universität in Schweden. Dabei machte er seltsame Erfahrungen. Er wurde mit einem Phänomen konfrontiert, das man als moralistische Ignoranz bezeichnen kann.

„Viele Studenten konnten nicht akzeptieren, dass Zahlen unentbehrlich sind, um ethisch richtig handeln zu können. Sie klebten an der Vorstellung, dass es ethisch richtig sei, nur den Patienten, die ins Krankenhaus kommen, die bestmögliche Behandlung angedeihen zu lassen. Es war schwierig, sie davon zu überzeugen, dass sie für eine bessere Gesundheitsversorgung mehr taten, wenn sie denjenigen an der Peripherie die elementarste Hilfe zur Verfügung stellten, wie Impfstoffe und Eisentabletten für Schwangere.” (Hans Rosling, „Wie ich lernte, die Welt zu verstehen”, S. 168)

Hans Rosling fand in seiner Arbeit viel über die positiven Rückkopplungen heraus, die in der Entwicklung des Wohlstands wirken. Etwa zwischen Einkommensentwicklung und Geburtenrate, Lebenserwartung und Bildung. Er begriff Wohlstand als System, das gestaltbar ist, und durch intelligente Systeme wächst. Gleichzeitig hatte er eine ausgeprägte Abneigung gegen den ideologisierten Wohlstands-Moralismus, der sich über die Ungerechtigkeiten der Welt empört, sich aber nicht die Bohne darum kümmert, wie etwas tatsächlich BESSER werden kann. „Most people are not interested in reality, they are interested in their own feelings and prejudices”, sagte er einmal in einem Radiointerview.

2012 veröffentlichte Hans Rosling seinen berühmten „Schimpansen-Test“, mit dem er das Weltwissen seines Publikums auf die Probe stellte. In insgesamt zwanzig Fragen zeigte er, wie sehr wir die globalen Trends, die großen Entwicklungen, NEGATIV ÜBERSCHÄTZEN.
(Eine Gruppe von Schimpansen, die Bananen nach dem Zufallsprinzip auf die drei möglichen Antworten wirft, würde dabei immer auf 33/33/33 Prozent kommen.)
www.ted.com

Ola Rosling, Hans Roslings Sohn und Erbe, arbeitet heute für die Global-Goals-Initiative der Vereinten Nationen. Er hat jetzt neue Fragen hinzugefügt. Hier einige davon:

  1. Im Jahr 1980 lebten 40 Prozent der Weltbevölkerung unter einem Einkommen von 2 Dollar am Tag, Wie hoch ist der Anteil heute (3 Prozent Abweichung durch Covid eingerechnet)?
    a) 13 Prozent
    b) 33 Prozent
    c) 53 Prozent
    (79 % der Teilnehmer hatten eine falsche Schätzung)
  2. Wie viele Länder (von 184) haben ein soziales Sicherheitssystem für Behinderte?
    a) 43
    b) 113
    c) 183
    (95 % lagen falsch)
  3. Wie viele Rentner (65+) in den Wohlstandsländern leben unter der Armutsgrenze?
    a) 14 Prozent
    b) 24 Prozent
    c) 44 Prozent
    (80 % lagen falsch)
  4. Wie hat sich die Selbstmordrate der Welt in den letzten 20 Jahren entwickelt?
    a) 25 Prozent Rückgang
    b) gleichgeblieben
    c) 25 Prozent Zunahme
    (50 % lagen falsch)
  5. Wie viele Menschen weltweit haben Zugang zu sicherem Trinkwasser zu Hause?
    a) 30 Prozent
    b) 50 Prozent
    c) 70 Prozent
    (82 % lagen falsch)
  6. Wie viel Anteil der Weltökonomie kommt aus Landwirtschaft, Forst und Fischen?
    a) 4 Prozent
    b) 24 Prozent
    c) 44 Prozent
    (84 % lagen falsch)
  7. Wie viele Länder der Erde haben Gesetze gegen sexuelle Belästigung?
    a) 35 Prozent
    b) 55 Prozent
    c) 75 Prozent
    (92 % lagen falsch)
  8. Wie viele Menschen der Weltpopulation leben in Megacities (mehr als 10 Mio. Einwohner)?
    a) 8 Prozent
    b) 28 Prozent
    c) 48 Prozent
    (77 % lagen falsch)
  9. Wie hoch ist der Anteil des produzierten Plastik, der in den Weltmeeren landet?
    a) Weniger als 6 Prozent
    b) 36 Prozent
    c) 66 Prozent
    (86% lagen falsch)
  10. Wie viele Unternehmen weltweit haben ChefINNEN?
    a) 2 Prozent
    b) 10 Prozent
    c) 18 Prozent
    (89 % lagen falsch)
  11. Biologen haben den ökologischen Status von 120.000 Pflanzen und Tieren evaluiert. Wie viele sind bedroht?
    a) 30 Prozent
    b) 60 Prozent
    c) 90 Prozent
    (62 % lagen falsch)
  12. Welcher Anteil der Welt-Population sind Flüchtende?
    a) 0,4 Prozent
    b) 4,4 Prozent
    c) 14,4 Prozent
    (89 % lagen daneben)
  13. Ergebnisse:
    1) a
    2) b
    3) a
    4) a
    5) c
    6) a
    7) c
    8) a
    9) a
    10) c
    11) a
    12) a

    Den vollständigen Test mit rund 50 Fragen finden Sie unter gapminder.org

    Dieser GLOBAL FACTFULNESS-TEST zeigt uns Erhellendes über unsere Konstruktionen von Wirklichkeit. Unser Hirn nimmt negative Informationen ungefähr um den Faktor 4 intensiver wahr als neutrale oder positive Fakten – bei ängstlichen Menschen sogar im Verhältnis 1:10. Das, was im Alltäglichen zwischen Menschen, in Gesellschaften, in der Entwicklung von Fortschritt und Wohlstand GELINGT, bleibt unsichtbar, weil es keinen Signalreiz im Hirn auslöst.

    Gapminder Foundation, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

    Dass 1 Milliarde mehr Menschen als vor zehn, zwanzig Jahren Anschluss zu Elektrizität oder einer Toilette haben – ist das eine Meldung, die in ihrem Hirn eine Spur hinterlässt?

    Die hohen Irrtums-Quoten des Tests erzählen auch etwas über unsere Pessimistische Arroganz: Als Bewohner der westlichen wohlhabenden Welt glauben wir, wir wären die einzigen, die Wohlstand und zivilisierte Verhältnisse leben «können». Überall sonst auf der Welt geht es arm, brutal und chaotisch zu. Gleichzeitig legen wir die Latte dafür, was Fortschritt, oder Erfolge sein könnten, immer höher. Das ist der so genannte Fahrstuhl-Effekt: Je besser es uns geht, je mehr wir in Wohlstand und Sicherheit leben, desto schlimmer werden Abweichungen von unseren Erwartungsmustern.
    Am Schlimmsten ist Armut in der Schweiz. Dort, wo alle reich sind, ist das Weniger ein gigantischer Skandal. In Lesotho ist Armut hingegen ganz normal, da fällt sie nicht auf.
    Dabei wäre es doch unglaublich spannend, zu verstehen, auf welche Weise auch in Lesotho langsam Wohlstand entstehen kann.
    Aber dazu müssten wir über unseren Schatten springen. Über den Schatten unserer egoistischen Ängste. Und den Schlagschatten unserer Vorurteile.
    Es wäre heilsam, zu verstehen, dass die Welt nicht «kaputt» ist. Dass es zwar immer viel Leiden gibt in einer sich wandelnden Welt. Auch Rückschläge Aber auch viel Schönes, Besseres, Gelungenes.
    Wandel eben.
    Auf diese Weise könnten wir in der Realität ankommen.
    Aber wollen wir das überhaupt?
    Halten wir das aus?
    Oder spinnen wir uns lieber in unsere Welt-Konstrukte ein? In unsere Meinungen und Vor-Urteile, in die wir uns irgendwann einmal heillos verstrickt haben?

    Meditatione Pro Bonum: Das Staunen des Positiven

    Eine der wichtigsten Merkmale des intelligenten Optimismus ist die Fähigkeit zum Staunen.
    Ich möchte Sie bitten, die folgenden Meldungen einfach nur zu lesen. Und darüber nachzufühlen, was das mit Ihnen macht:

    • China hat sich 2020 verpflichtet, seine weltweite Fischereiflotte in die Gesetze der Wildlife Protection Laws einzubinden. Die Schiffe dürfen sich nicht mehr tarnen oder in geschützten Gebieten aufhalten. Bei Verstößen verlieren die Fang-Firmen für 5 Jahre ihre Lizenz.
      Quelle: www.earth.org
    • In den ersten drei Monaten des Jahre 2021 wurden 2,5 Hoover-Damm-Kraftwerke erneuerbarer Energie zur Energieproduktion der USA dazugeschaltet. Das sind 46 Prozent mehr als letztes Jahr. Solar und Wind trugen 99 Prozent bei. Die ersten US-Bundesstaaten, wie Maine, verabschieden sich völlig vom Ausbau fossiler Energieproduktionen.
    • In Island stellte sich in einem großen Arbeits-Experiment heraus, dass die Produktivität steigt, wenn man weniger arbeitet. Bei Kürzungen auf 30 Stunden pro Woche waren die meisten Mitarbeiter PRODUKTIVER, entspannter und konnten ihr Leben besser gestalten. 86% der Beschäftigten arbeiten laut dem Bericht des Think Tanks Autonomy inzwischen weniger Stunden für das gleiche Geld oder haben die Option dazu.
      Quele: https://alda.is
    • 1.800 Schulen im indischen West-Bengalen haben solare Kleinkraftwerke installiert, jedes Jahr sollen 1.000 dazukommen, bis zu einer Kapazität von 25.000. Den eingesparten Strom nutzen die Schulen für Bäume pflanzen, mehr Lehrer, Sanitärverbesserungen und Computerklassen.
      Quelle: www.reuters.com
    • In Oslo/Norwegen entstand die erste Großbaustelle nahezu OHNE jede CO2-Freisetzung. Alle Maschinen, Bagger, Raupen, etc. sind elektrisch betrieben, die allermeisten Materialen werden aus on-site-recycling gewonnen.
      Quelle: BBC
    • 33 Städte in Europa haben sich in der International Alliance of Safe Harbors dazu verpflichtet, mehr Flüchtlinge vor allem aus See-Rettungsaktionen aufzunehmen.
      Quelle: DIE ZEIT 2021-06/26/33
    • Bangladesch, 160 Millionen Einwohner, gilt als „Entwicklungswunder“. Seit 1991 hat sich das BSP versiebenfacht, 24 Millionen Menschen sind der extremen Armut entkommen, die Lebenserwartung stieg auf 73 Jahre, Kindersterblichkeit ist um den Faktor 5 gefallen, und die Alphabetisierung stieg von 35 auf 74 Prozent.
      Quelle: Daily Star
    • In der letzten Dekade (2011-21) wurde ein Gebiet größer als Russland zu den Naturschutzgebieten der Erde hinzugefügt. Das sind 42 Prozent aller jemals unter Schutz gestellten Landflächen – in nur 10 Jahren. Fast 20% der gesamten Landoberfläche unterliegt heute Schutzgesetzen, das entspricht ungefähr der Ziel-Zahl der UNO.
    • Glauben Sie auch, dass Alzheimer „immer weiter steigt weil wir immer älter werden“? Das Risiko, Alzheimer/Demenz zu entwickeln, ist heute in Europa und den USA um 13 Prozent geringer als 2010. Man führt dies auf Veränderungen im Rauchverhalten, Bildungszuwächse sowie bessere kardiovaskuläre Gesundheit zurück.
      Quelle: NYT
    • Rechtsextreme Einstellungen nehmen laut Studien ab. Weniger Menschen stimmen nach Angaben der Friedrich-Ebert-Stiftung rechtsextremen Aussagen zu. Gleichzeitig lasse die eindeutige Ächtung von Antisemitismus nach.
      Quelle: ZEIT ONLINE, AFP
    • Ein Konsortium von Siemens Energy und Enel baut in Patagonien Chile die weltweit erste Produktionsanlage für BLAUEN Treibstoff. Mithilfe von üppig verfügbarer Windenergie wird aus Wasser Wasserstoff hergestellt und aus dem CO&sub2; in der Luft Kohlenstoff herausgefiltert. In zehn Jahren sollen 1,2 Millionen Tonnen jährlich hergestellt werden, die für Flugzeuge, Schiffe und Fahrzeuge verwendet werden können – Literpreis um die 1,20 Euro.
      Quelle: www.wiwo.de
    • Über drei Milliarden Dosen Anti-Corona-Impfstoff wurden in einem halben Jahr in der ganzen Welt ausgeliefert. Zu langsam? Zu wenig gerecht? Vielleicht. Aber es ist der schnellste Impferfolg in der Geschichte der Menschheit….
    • Norwegens staatlicher Wohlstands-Fond, der größte staatlich gesteuerte der Welt, hat sein gesamtes Portfolio an Oil-Exploration und -Produktion verkauft. 6 Milliarden Dollar wurden nachhaltigen Investments zugewiesen.
      Quelle: World Oil
    • Zum ersten Mal stieg der Stromanteil der Erneuerbaren Energien 2020 in der EU auf dauerhaft über 50 Prozent. Dies führte auch zu deutlichen Reduktionen von Versauerungen von Böden, Luftverschmutzung und Steigerungen der Wasserqualität an ehemaligen Kraftwerk-Standorten.
      Quelle: Reuters
    • Die chinesische Regierung startet derzeit große Kampagnen zur Reduzierung des chinesischen Fleischkonsums. Das liegt an Corona und katastrophalen Ausbrüchen der Schweinepest, aber auch an gesundheitlichen Motiven. Chinas Markt für pflanzenbasierte Fleischersatz-Nahrungsmittel wird auf 910 Millionen Dollar/Jahr geschätzt und wird jährlich um 25 Prozent wachsen. Nach einer Fleisch-Welle scheint sich jetzt in China eine Vegetarismus-Gegenwelle zu entwickeln
      Quelle: https://time.com
    • Das individuelle Wohlbefinden der Amerikaner ist im Jahr 2020 angestiegen – nach der größten Umfrage unter 50.000 US-Bürgern stieg der Zufriedenheitswert mit dem eigenen Leben trotz Lockdowns und politischer Turbulenzen.
      Quelle: www.economist.com

    Staunen Sie?
    Oder wehren Sie nur ab?
    Welche dieser Meldungen ist in Ihrer Wahrnehmungs-Matrix bedeutend?
    Was steuert eigentlich das, was sie als bedeutend (salient) empfinden?

    Zunächst ist bemerkenswert, dass Sie die meisten dieser Meldungen wahrscheinlich nie zu Gesicht bekommen haben (ich habe noch tausend andere davon, aber es geht hier nicht um Quantität).
    Weiterhin ist es interessant, wie sehr wir bei positiven Meldungen ganz anders reagieren als bei negativen. Hier wirkt der affektive Charakter unseres Hirns: Während wir allem Bedrohlichen sofort GLAUBEN, antworten wir auf positive Anzeichen meistens mit einem Stakkato des Zweifels.

    • Die chinesische Regierung lügt ja sowieso…
    • Siemens will ja nur Profit und Imagegewinn in Patagonien…
    • Was sind denn das für zusammengeschriebene Studien…?!?!?!
    • Alles doch nur Augenwischerei…

    Sind das Ausnahmen, die die Regel bestätigen?
    Oder Regeln, die in unserer Wahrnehmung durch überdeutliche Ausnahmen entwertet werden?

    Wann erschlagen wir mit dem ABER das Mögliche?
    Wie leichtgläubig sind wir gegenüber dem Negativen?
    Warum ist alles Bessere nie genug?
    Wann WÄRE es denn genug?
    Wenn alles perfekt ist?
    Aber welchen Preis hätte das Perfekte?

    Im «Intelligenten Optimismus» orientieren wir uns an einer Zukunft, die nicht PERFEKT ist, sondern besser werden kann. Und in der wir für einen keineswegs unbedeutenden Teil verantwortlich sind.

    Statt zu klagen, zu fürchten und unentwegt zu meinen, entwickeln wir einen «Future Mind» – ein Bewusstsein, dass sich in Richtung auf den Möglichkeitsraum orientiert.
    Hans Rosling nannte das auch den Possibilismus.
    Es ist die einzige Welthaltung, mit der man sich auf Dauer nicht in einen dumpfen, muffigen oder kindlich-angstgetriebenen Zeitgenossen verwandelt.

    Konstruktiver Journalismus – Medien für positiven Wandel

    In der rasenden Aufmerksamkeits-Ökonomie wird Angst, Übertreibung, Skandal und Negativität zu einem geldwerten Vorteil. Und immer mehr zum zentralen Geschäftsmodell für Information. Dadurch wird auf Dauer unser affektives System zerstört – die Art und Weise, wie wir uns als Individuen und Gruppen emotional gegenüber der Umwelt ausbalancieren. Seit einigen Jahren gibt es deshalb die Gegenbewegung des «Konstruktiven Journalismus».

    „Medien” sind eigentlich, wie der Name sagt, Vermittler zwischen inneren und äußeren Wirklichkeiten. Nicht Produzenten von Erregungen. Und das könnte auch wieder ihre Funktion werden. Interessant ist, wie sich in der Trump-Ära die amerikanischen Deutungsmedien «geläutert» haben. Heute liest man in der New York Times und der Washington Post kaum noch übertriebene, alarmistische Angst-Artikel. Trotzdem wird nichts beschönigt oder glattgeredet. Der SPIEGEL, das Kampfblatt des intellektuellen Schlechterismus, hatte immerhin sogar eine Zeitlang eine Kolumne über positive Trends („Früher war alles schlechter“), siehe auch die gleichlautende Buchreihe von Guido Mingels.

    Hier einige Spezialmedien für diejenigen, die das tägliche Doomscrolling satthaben und nach einer gesunden Mediendiät suchen:

    • Die australische Website Future-Crunch.com – monatlicher Letter! – sehr lesenswert (in Englisch).
    • Der amerikanische Publizist Matt Ridley veröffentlicht regelmäßig Bücher und Informationen zur positiven Entwicklung des Wohlstands:
      www.rationaloptimist.com
    • TED.com ist nach wie vor eine der großen konstruktiven globalen Ideen-Netzwerke – allerdings mit manchmal etwas sektenhaften Zügen.
    • Perspective Daily ist seit fünf Jahren Deutschlands führendes konstruktives Web-Journal.
      Beispiel: https://perspective-daily.de
    • brand eins: Hartnäckiger Anti-Sensationistischer Wirtschaftsjournalismus
      brand eins

    Und natürlich gibt es noch weitere Medien im deutschsprachigen Raum, die nicht den Weg des katastrophischen Alarmismus gegangen sind. Oder sich endlich um Konstruktivität bemühen. Wenn man seinen Medienkonsum ent-ängstigen will, dann findet man dazu Mittel und Wege. Auch in der Wüste Internet…

    Lesenswert:

    • Maren Urner: „Schluss mit dem täglichen Weltuntergang” Droemer 2019
    • Maren Urner: „Raus aus der ewigen Dauerkrise”, Droemer 2021
    • https://constructiveinstitute.org